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FAIRTRADE: mehr als die Summe seiner Teile

Kaffeebäuerinnen und -bauern stehen vielfältigen Herausforderungen gegenüber. Monika Firl, Kaffee-Managerin für Fairtrade International, kennt sie alle. Im Interview spricht sie über Ursachen und Lösungsansätze.

Monika Firl beim Besuch einer FAIRTRADE-Kaffeekooperative.

Nach der neuen EU-Verordnung müssen europäische Hersteller bald nachweisen, dass ihre Produkte nicht zur weltweiten Entwaldung beitragen. Was bedeutet das für die Kaffeebauernfamilien und wie unterstützt FAIRTRADE sie dabei?

Monika Firl: Die Verordnung erfordert die Kartierung der Ernteflächen, laufende Überprüfungen und die Entwicklung von Präventions- und Schadensbegrenzungsplänen. Die Bauernfamilien müssen beweisen können, dass keine Entwaldung stattgefunden hat. Das stellt eine große Belastung für sie dar, insbesondere für diejenigen, die in Regionen leben, die als hochriskant eingestuft werden. Ebenso für diejenigen mit Kaffeeanbauflächen, die größer als vier Hektar sind, denn sie müssen alle Grenzen ihrer Felder per Geodaten erfassen. Das ist ein zeitaufwendiger, aber notwendiger Prozess.

FAIRTRADE und die Kooperativen, in denen sich die Bauernfamilien zusammenschließen, haben bereits Vorbereitungen getroffen, indem sie Informationen über die EU-Anforderungen verteilt und erklärt haben. Auch bei der Erhebung von Geolokalisierungsdaten wird unterstützt, dazu wird beispielsweise eine eigene App zur Kartierung in Indonesien geschaffen. Außerdem ist FAIRTRADE eine Partnerschaft mit Satelligence eingegangen, um die Satellitenüberwachung von Waldgebieten und Farmen auf alle zertifizierten Kaffee-Kooperativen weltweit auszuweiten. Diese wird wichtige Daten zur Entwaldung erfassen und steht in Zukunft mehr als 660 FAIRTRADE-Kaffeekooperativen und ihren 870.000 Mitgliedern kostenlos zur Verfügung.

Auch in den FAIRTRADE-Standards ist Waldschutz fest verankert. Welche Änderungen wurden darin vorgenommen, um die Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen?

Der FAIRTRADE-Kaffeestandard wurde aktualisiert, um die Anforderungen der EU-Verordnung zu erfüllen beziehungsweise zu übertreffen. Er schreibt vor, dass alle Farmen Geolokalisierungspunkte erfassen. Kein FAIRTRADE-Kaffee darf von Flächen stammen, auf denen nach dem Stichtag vom 1. Jänner 2014 abgeholzt wurde. Das wird überwacht und ist auch rückverfolgbar.

FAIRTRADE stellt den Kaffeekooperativen dafür eine eigene Überwachungsplattform zur Verfügung. Außerdem müssen die Kooperativen einen Präventionsplan entwickeln, und nach dem aktualisierten Standard ist vorgeschrieben, dass sich die Händler:innen an diesen Bemühungen beteiligen. Durch diese Aktualisierungen und die Unterstützung sind die FAIRTRADE-Kaffeekooperativen in der Lage, die Anforderungen der Entwaldungsverordnung zu erfüllen. Und das ist die Voraussetzung, damit sie weiterhin Zugang zu wichtigen Märkten in Europa und darüber hinaus haben.

Eine der Unterstützungen für die FAIRTRADEMitglieder in Afrika betrifft das Errichten von Holzsparöfen. Wie wirkt sich das aus?

Je mehr Informationen die Kleinbäuerinnen und -bauern über Land- und Ressourcenmanagement erhalten und je mehr sie an Ausbildungen teilhaben können, in denen sie alternative Methoden kennenlernen, desto schneller und erfolgreicher werden wir den Übergang zu einer sauberen und grünen Wirtschaft vollziehen. Die Leistungen und Errungenschaften der „Climate Academy“ von Fairtrade Africa, bei der diese Holzsparöfen eingeführt wurden, sind ein gutes Beispiel dafür: Es sind nur einfache Anpassungen nötig, damit die Kleinbauernfamilien viel effizienter kochen und ihren Holzverbrauch dabei erheblich senken können. Die begleitenden Schulungen zur Waldbewirtschaftung können, multipliziert mit Tausenden und potenziell Millionen von Haushalten, künftig für erhebliche positive Auswirkungen sorgen.

Gibt es noch andere Programme von FAIRTRADE zum Schutz der Wälder?

Im September 2022 hat FAIRTRADE die Weichen für einen ganzheitlichen Ansatz gestellt, die sogenannte Agrarökologie*. Sie soll das Zusammenspiel von Natur und den Erhalt ihrer Diversität, das sich verändernde Klima und die Bodengesundheit sowie den Schutz der Gewässer und Wälder und lokale Gegebenheiten holistisch vereinen und so nachhaltige Zukunftsperspektiven entwickeln. Für den Kaffeeanbau bedeutet das eine systemweite Förderung von Schattenanbau. Das wirkt sich auch auf das Klima aus, da sich die Emissionen und der Kohlenstoffabbau die Waage halten, teils bauen die Farmen jährlich sogar mehr Kohlenstoff ab, als sie emittieren. Das hat vielfach positive Auswirkungen: Es trägt zum Schutz vor extremen Wetterereignissen bei, speichert Kohlenstoff in Böden und in der oberirdischen Biomasse; erhält die biologische Vielfalt, die wiederum die natürliche Kontrolle von Schädlingen und Krankheiten sowie Bestäubungsleistungen unterstützt. Zudem kann aus dem Beschnitt der Schattenbäume, die oft auch Früchte und andere Nahrungsmittel liefern, Brennholz gewonnen werden.

Wie würde sich das auf den ökologischen Fußabdruck von Kaffee auswirken?

Ein großer Teil des Kohlenstoff-Fußabdrucks der Kaffeeindustrie stammt vom Anbau und der Zubereitung. Natürlich spielt auch der Transport bei weiten Wegen eine Rolle, hier sollte man daher auf die Verfügbarkeit oder Erzeugung grüner Energie setzen. Aber eben die Art und Weise, wie der Kaffee angebaut wird, macht einen erheblichen Unterschied. Insbesondere Entwaldung spielt hier eine Rolle. Die biologische Vielfalt geht nämlich dadurch verloren, Böden werden ausgelaugt und durch die Abholzung gelangt CO2 in die Atmosphäre. Dazu kommt der Einsatz von Düngemitteln und Maschinen, die den CO2-Fußabdruck von Kaffeeerheblich vergrößern.

Deshalb ist Agroforstwirtschaft die Zukunft für Kaffee. Regenerative biologische Praktiken mit Schattenanbau und dem Wiederaufbau von Bodenfruchtbarkeit liefern unglaubliche Ergebnisse. Es ist absolut möglich, dass dies die neue Norm wird – beziehungsweise wieder zur Norm wird.

 

Gut zu wissen: Darum ist Agrarökologie wichtig für die Zukunft des Kaffeeanbaus

Kaffee wird heute vorwiegend in großflächigen Plantagen angebaut – doch das war nicht immer so. Ursprünglich wuchsen Kaffeebüsche im Schatten der Baumkronen von Urwaldriesen, die wie ein natürliches Abwehrsystem für die Kaffeepflanzen wirkten. So wurden sie auch lange kultiviert. Als aber der Kaffeekonsum ab den 1960er-Jahren wuchs, züchtete man Pflanzen, die auch in praller Sonne bestehen konnten. Durch intensive Bewirtschaftung und ohne den Schutz des Waldes wurde der Einsatz von Insektiziden, Fungiziden und Pestiziden notwendig, die hohe Kohlenstoffemissionen verursachen.